Hilfreiche Begriffe im Sprechen über geschlechtliche Vielfalt und strukturelle Machtverhältnisse


*

Die Schreibweisen Nutzer_in, Nutzer:in, Nutzer*in, Nutzende machen gegenüber anderen Schreibweisen wie Nutzerinnen und Nutzer deutlich, dass es sich nicht nur um Männer und Frauen handelt, sondern Nutzer*innen aller Geschlechter gemeint sind. Die Verwendung des * ist aus der Praxis in trans*, inter* und nicht-binären Communities entstanden. Weder der : noch das * noch der _ ist für blinde Menschen und Menschen mit Lernschwierigkeiten barrierefrei. Daher wird hier eine Mischung aus neutralen Begriffen wie Mitarbeitende und gegenderten, aber weniger passiv wirkenden Begriffen wie Nutzer*innen verwendet.

Ableismus

Ableismus (able: engl. für fähig) ist die Diskriminierung von Menschen mit Behinderung und wurde als Begriff von Wissenschaftler*innen mit Behinderung etabliert. Auch wenn alle Menschen unterschiedliche Fähigkeiten und Körper haben, bestimmt eine ableistische Gesellschaft, welche Körper und welche Psyche als normal gilt. Menschen, die auf körperlicher, seelischer und/oder geistiger Ebene dieser Norm nicht entsprechen, werden abgewertet und in ihrer selbstbestimmten Teilhabe in allen Lebensbereichen behindert. Die Folgen dieser gesellschaftlichen Behinderung zeigen sich im Ausschluss von Bildung, Kultur, Gesundheitsversorgung, Arbeitsmarkt und körperlicher Selbstbestimmung. Darüber hinaus ist die Konsequenz von Ableismus, dass Menschen mit Behinderung meist als belastend, minderwertig, bemitleidenswert oder auch als nicht lebenswert angesehen werden. Dies wird als Rechtfertigung genutzt, sie respektlos zu behandeln, ihnen (tödliche) Gewalt anzutun oder ihre Körper medizinisch einer Norm anzupassen. Zum Beispiel kann es passieren, dass Menschen mit psychiatrischen Diagnosen ohne ihr informiertes Einverständnis mit Medikamenten therapiert werden, die eine Schwangerschaft erschweren oder verhindern können.

binär

Mit binär werden die zwei geschlechtlichen Kategorien von Mann und Frau bezeichnet. In einem binären Geschlechtersystem werden keine anderen Geschlechter zugelassen: Menschen außerhalb dieser etablierten geschlechtlichen Norm werden als „fremd“ und „anders“ ausgegrenzt. Im Kontrast zu nicht-binären Menschen, werden alle sich eindeutig den Kategorien Mann und Frau zuordnenden Menschen als binär bezeichnet, zum Beispiel cis und endogeschlechtliche Männer, trans* Frauen, inter* Männer.

BIPoC / Black, Indigenous and People of Color

BIPoC ist eine politische Selbstbezeichnung von und für Menschen, die Rassismuserfahrung erleben. Er vereint dabei die unterschiedlichen Gruppen und ihre unterschiedlichen Rassismuserfahrungen in einem Begriff. Dabei geht es nicht um Hautfarben sondern um die geteilte Erfahrung rassistischer Benachteiligung. Die Hervorhebung von Black und Indigenous verdeutlicht, dass ihre spezifischen rassistischen Erfahrungen explizit eingeschlossen sind.

cis / cisgeschlechtlichcis / cisgeschlechtlich

Um deutlich zu machen, dass trans* sein genauso normal ist, wie nicht trans* zu sein, gibt es den Begriff cisgeschlechtlich bzw. cis Mann/ cis Frau (lat.: diesseits) in Abgrenzung zu trans* (lat.: jenseits, über hinaus). Ein cis Mann ist also ein Mann, dem bei seiner Geburt ein männliches Geschlecht zugewiesen wurde und dies weiterhin für ihn stimmig ist.

Dritte Option

Die von inter* Menschen erkämpfte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes 1 BvR 2019/16 vom 10.10.2017 – bekannt unter dem Begriff Dritte Option – verpflichtet dazu, bei (räumlichen, formellen, sprachlichen) Erfassungen von Geschlecht mindestens eine dritte Option anzubieten.

endo / endogeschlechtlich

Ein Mensch ist endogeschlechtlich (griech.: innerhalb) und nicht inter*, wenn er mit einem Körper geboren wird, der sich nach den normativen Vorstellungen der Medizin eindeutig als nur weiblich oder nur männlich einordnen lässt. Ein Synonym für endogeschlechtlich ist auch dyadisch.

Frau

Die Bezeichnung Frau bezieht sich auf die Selbstidentifikation als solche. Frauen können cis und endogeschlechtlich sein, sie können inter* und/oder trans* Frauen sein, sie können weiß, Schwarz, Frauen of Color sein, mit Behinderung oder ohne und sich in weiteren Punkten unterscheiden oder ähneln. Wenn wir von Frauen sprechen, meinen wir all diese Frauen.
Es gibt u.a. auch die Schreibweise Frauen*. Diese Schreibweise wird in Teilen verwendet, um eine Offenheit gegenüber trans* Menschen zu signalisieren. Diese Offenheit ist ein erster wichtiger Schritt, den wir gerne konkretisieren möchten. Aus der Praxiserfahrung gibt es leider häufig eine Unklarheit darüber, ob mit Frauen* neben endo cis Frauen auch trans* und inter* Frauen gemeint sind. Ebenso unklar bleibt häufig, ob auch alle nicht-binären Menschen gemeint sind oder nur diejenigen Menschen, denen „Frau sein“ zugeschrieben wird. Daher bevorzugen wir die Schreibweise Frauen, wenn wir endo cis, trans* und inter* Frauen meinen. Wenn wir Frauen und nicht-binäre Menschen meinen, schreiben wir dies aus.

Gewalt

Unter Gewalt wird teilweise nur körperliche Gewalt zwischen zwei Menschen verstanden. Hier wird Gewalt jedoch folgendermaßen definiert: Zwischenmenschliche Gewalt ist, wenn eine Person einen anderen Menschen verbal, körperlich und/oder sexuell bedrängt, bedroht, verängstigt, schädigt, herabwürdigt und/oder entmenschlicht. Diese Gewalt findet nicht ohne den Rahmen von struktureller Gewalt statt. Unter struktureller Gewalt werden Bedingungen und Strukturen gesellschaftlicher, wirtschaftlicher oder institutioneller Art verstanden, welche benachteiligte Personen(gruppen) noch weiter benachteiligen. Wenn es nicht anderweitig spezifiziert wird, ist in diesen Leitlinien unter Gewalt immer das Zusammenwirken dieser Gewaltformen gemeint.

Inklusion

Im engeren Sinne bedeutet Inklusion die Umsetzung eines Einschlusses von Menschen mit Behinderung in alle Lebensbereiche. Im weiteren Sinne werden darunter auch Handlungen verstanden, die die Exklusion weiterer ausgeschlossener Gruppen verringern. Inklusion ist das Gegenkonzept zu Integration: Nicht die ausgeschlossenen Gruppen sollen sich der Norm anpassen, sondern die Barrieren in der Mehrheitsgesellschaft sollen abgebaut werden, sodass alle, auch die bisher Ausgeschlossenen, teilhaben können. Der Begriff entstammt der Behindertenrechtsbewegung sowie den daraus entstandenen Disability Studies und Mad Studies, also den Wissenschaften von, über und für ver_rückte und be_hinderte Menschen.

inter* / intergeschlechtlich

„Inter* umschreibt die gelebte Erfahrung, mit einem Körper geboren zu sein, der den normativen Vorstellungen von männlich/Mann und weiblich/Frau nicht entspricht.“ Diese normativen Vorstellungen drücken sich in einer Definition von Mann oder Frau über ihre Anatomie, Hormone und Chromosomen aus. Diese lassen sich jedoch biologisch auf keiner der drei Ebenen in weder zwei noch drei klar abgrenzbare Kategorien teilen. Inter* oder auch intergeschlechtlich ist also kein, wie häufig angenommen, Drittes Geschlecht, sondern ein Oberbegriff für Menschen mit sehr unterschiedlichen Körpern, Geschlechtern und sexuellen Orientierungen. Viele inter* Babys werden genitalverstümmelnden Operationen unterzogen und gewaltvoll in die gesellschaftlichen Normen der Ästhetik von Genitalien und Geschlecht gezwängt. Die Praxis dieser irreversiblen Schäden ist in Deutschland zwar seit 2021 in bestimmten Fällen verboten, wird jedoch aufgrund größerer Gesetzeslücken weiter durchgeführt. Inter* wird also weiterhin als eine Krankheit behandelt. Während einige inter* Menschen schon sehr früh erfahren, dass sie inter* sind, erfahren es viele durch die Geheimhaltung von Ärzt*innen und Eltern nie oder erst sehr viel später. Das Sternchen steht als Platzhalter für die Vielfalt der Selbstdefinitionen von inter* Menschen.

Klassismus

Klassismus bezeichnet die Diskriminierung und Vorurteile gegenüber Menschen aufgrund ihrer (vermuteten) sozialen Herkunft und/oder (vermuteten) aktuellen Zugehörigkeit zu einer als „niedriger“ eingestuften sozialen Klasse (z.B. Armuts- oder Arbeiter*innenklasse). Dies trifft zum Beispiel Menschen mit keinem oder geringem Einkommen, Menschen ohne Wohnung oder Menschen, deren Eltern nicht studiert haben. Es geht also nicht nur darum, ob ein Mensch gerade viel oder wenig Geld besitzt, sondern ob jemand aufgrund der sozialen Herkunft strukturell benachteiligt wird. Ein Beispiel für Klassismus ist die härtere Bestrafung von Kriminalität von armen Personen im Vergleich zu wohlhabenderen Personen.

LSBTQI+

LSBTQI+ versucht mithilfe der Anfangsbuchstaben für lesbische, schwule, bisexuelle, trans*, queere und inter* Menschen alle Identitäten zusammenzufassen, die nicht heterosexuell sowie cis- und endogeschlechtlich sind. Das + drückt aus, dass durch die Buchstaben nicht das gesamte Spektrum abgebildet wird, und viele weitere Identitäten und sexuelle Orientierungen wie u.a. asexuell oder pansexuell fehlen.

Mann

Die Bezeichnung Mann bezieht sich auf die Selbstidentifikation als solcher. Männer können cis und endogeschlechtlich sein, sie können inter* und/oder trans* Männer sein, sie können weiß, Schwarz, Männer of Color sein, mit Behinderung oder ohne und sich in weiteren Punkte unterscheiden oder ähneln. Wenn wir von Männern sprechen, meinen wir all diese Männer.

nicht-binär

Nicht-binär ist ein Sammelbegriff von Geschlechtsidentitäten außerhalb der zweigeschlechtlichen, binären Kategorie Mann oder Frau. Einige nicht-binäre Menschen verstehen sich gleichzeitig als trans* und/oder inter*. Zentral ist immer die Selbstdefinition. Nicht-binäre Geschlechtsidentitäten sind beispielsweise genderqueer oder genderfluid. Agender (= sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen) wird von manchen Personen auch als eine nicht-binäre Geschlechtsidentität eingeordnet und von anderen als eine weitere Kategorie angesehen.

Pronomen

„Maryama Mbele ist unsere neue Leitung. Sie hat uns das Du angeboten.“ In diesem Beispiel ist sie das Personal-Pronomen, welches für die neue Leitung verwendet wurde. In vielen Situationen wird anderen Menschen ein Geschlecht zugeschrieben und dementsprechend ein Pronomen für sie ausgewählt. Dabei ist unklar, ob diese Zuschreibung richtig ist. Deswegen ist es hilfreich, das Gegenüber nach seinen Pronomen und der richtigen Ansprache zu fragen. Pronomen können zum Beispiel sie, er, sie_er, per, they, dey oder auch keine sein. Mögliche Ansprachen der neuen Leitung können zum Beispiel Frau Mbele, Herr Mbele oder Maryama Mbele sein. Das richtige Pronomen und die richtige Ansprache zu verwenden, bedeutet, dass die geschlechtliche Identität der Person akzeptiert wird. Die falsche Ansprache oder Pronomen zu benutzen, wird als misgendern bezeichnet.

Rassismus

Rassismus konstruiert Menschen aufgrund tatsächlicher oder angeblicher körperlicher oder kultureller Merkmale (z. B. Hautfarbe, Herkunft, Sprache, Religion) zu einer homogenen Gruppen, wertet diese ab und grenzt sie aus. Rassismus stellt diesen Prozess der gewaltsamen Hierarchisierung als eine natürliche biologische oder kulturelle Gegebenheit dar. Der heute verbreitete Kultur-Rassismus nutzt die Behauptung der natürlich gegebenen kulturellen Unterschiede, um rassistische Hierarchien begründen zu können. Die Konsequenzen dieses Machtverhältnisses sind historische als auch heutige Ausbeutungen, rassistische Ermordungen, Ausschlüsse vom Arbeits- und Wohnungsmarkt sowie dem Bildungswesen. Im Gesundheitswesen zeigt es sich z.B. darin, dass häufige, kleinere rassistische Äußerungen bei den davon Betroffenen zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für Depressionen und Angststörungen führen, diese jedoch nicht als Folgen von Rassismus anerkannt werden.

Schwarz

Die Selbstbezeichnung Schwarz beschreibt nicht eine biologische Tatsache oder Hautfarbe, sondern die gemeinsame Erfahrung von Rassismus und Kolonialismus. Der Begriff ist von und für Schwarze Menschen, die selbst oder in ihrer Familiengeschichte Bezüge zum afrikanischen Kontinent haben. Um deutlich zu machen, dass es sich nicht um eine Farbbezeichnung, sondern um eine politische Selbstbezeichnung handelt, wird das S groß geschrieben.

trans* / transgeschlechtlich

Trans* ist ein Überbegriff für Menschen, die sich nicht oder nur teils mit dem Geschlecht identifizieren, welches ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Trans* Menschen haben unterschiedliche Geschlechter, zum Beispiel Frau, Mann oder ein nicht-binäres Geschlecht. Ein trans* Mann ist also ein Mann, dem jedoch bei seiner Geburt ein anderes Geschlecht zugewiesen wurde und der deshalb einen Geschlechtseintrag als weiblich (oder auch divers oder einen offenen Eintrag) erhalten hat.
Unter trans* Menschen gibt es eine Vielzahl an Selbstbezeichnungen, wie zum Beispiel transgender, trans Frau, trans*, genderqueer. Das Sternchen hinter trans* symbolisiert diese Vielfalt unter einem Begriff. Dazu gehören auch Selbstbezeichnungen wie Two-Spirit, Muxe oder Hijra, die Bestandteil von pre-kolonialen Geschlechterentwürfen sind und teils seit über 1800 Jahren existieren. Der Begriff Transsexualität wird seltener als Selbstbezeichnung verwendet, da er eine pathologisierende Fremdbezeichnung aus der Medizin ist. Darüber hinaus verbindet er fälschlicherweise trans* sein mit einer sexuellen Orientierung. Genau wie alle Menschen auf der Welt, können trans* Menschen heterosexuell, lesbisch, bisexuell, schwul, queer, asexuell sein oder eine andere sexuelle Orientierung haben.

Transition

Eine Transition ist für trans* Menschen ein Prozess, das eigene Geschlecht auf sozialer, juristischer und/oder körperlicher Ebene auszudrücken. Auf der sozialen Ebene ist dies zum Beispiel das Verwenden eines neuen Namens und neuer Pronomen. Auf juristischer Ebene geht es um die rechtliche Änderung des Vornamens und Personenstandes. Auf körperlicher Ebene kann dies ein neuer Haarschnitt sein. Weitere geschlechtsbestätigende Möglichkeiten sind zum Beispiel eine Hormontherapie, logopädische Behandlungen oder auch eine Mastektomie (operative Brustreduktion).

Weiß

Der Begriff weiß beschreibt nicht eine biologische Tatsache oder Hautfarbe. Während Menschen, die Rassismus erleben als (fremde) Andere markiert werden, bleibt weiß sein eine nicht benannte Norm. Der Begriff weiß benennt also die Gruppe, die in Bezug auf Rassismus Privilegien hat. Dies zeigt sich unter anderem in erheblichen Unterschieden im Zugang zu Entscheidungsfunktionen, Wohnungs- und Arbeitsmarkt, Bildung, öffentlichem Leben, Gewaltschutz und auch dem Gesundheitswesen.